Maßstab für Beeinträchtigungen Diabeteserkrankung eines Kleinkindes

SG Bremen, Urteil vom 19.12.2023, Aktenzeichen S 19 SB 136/22; GdB eines diabeteserkrankten Kleinkindes:

Bei der Klägerin handelt es sich um ein fünfjähriges Kind, welches an Diabetes mellitus Typ 1 erkrankt ist. Zwischen den Beteiligten stand die Schwerbehinderteneigenschaft (Gesamt-GdB 50). Bei dem Kind kommt es häufig zu Unter-, aber auch zu Überzuckerungen. Das Kind war versorgt mit einer Insulinpumpe; zu jeder Mahlzeit erhielt es eine oder mehrere Insulingabe/n. Das Essen gestaltete sich schwierig. Neben dem Gewebezucker musste mindestens vier bis fünfmal täglich der Blutzucker gemessen werden. Als besonders belastend wurde der Sensor- und Katheterwechsel angegeben.

Unter Bezugnahme auf die Versorgungsmedizinverordnung wird ein GdB von 50 anerkannt bei an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit der körperlichen Belastung selbst-ständig variiert werden muss und zusätzlich durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind; außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere Werte bedingen.

Den erforderlichen Therapieaufwand sah das Gericht als erfüllt an. Das Gericht bejahte darüber hinaus gravierende Einschnitte in der Lebensführung.

Dabei berücksichtigte das Gericht, dass die mit der Diabeteserkrankung einhergehenden Beeinträchtigungen eines Kleinkindes schwerlich anhand eines für Erwachsenen gelten-den Maßstabs gemessen werden können. Um die Schwere der Teilhabebeeinträchtigungen einordnen zu können, ist als Vergleichsmaßstab der Alltag eines gleichaltrigen gesunden Kindes heranzuziehen.

Im vorliegenden Fall bestand die Besonderheit, dass die Pflege und Aufsicht nur durch einschlägig geschulte Erwachsene erfolgen konnte und die Klägerin – soweit eine solche nicht gewährleistet war – von der Teilhabe gänzlich ausgeschlossen war.

Nur in Begleitung konnte das Kind außerhäuslichen Tätigkeiten nachgehen, wodurch sich die Lebenssituation der Klägerin ganz erheblich von der eines gesunden Kindes unterschied. Verstärkt wurde die Situation bei der Klägerin dadurch, dass sie beim Schwimmen besonders sichtbare äußerliche Merkmale (Sensor, Katheter, Pumpe) aufwies, die sie von anderen Kindern unterschied. Auch die ständige Anwesenheit eines Elternteils sah das Gericht als permanente Sondersituation gegenüber anderen Kindern an, deren Eltern nicht zwingend anwesend sein müssen. Die Schwerbehinderteneigenschaft wurde aus o.a. Gründen anerkannt.

Diese Entscheidung verdeutlicht, dass gerade bei Kindern die Feststellung des Grades der Behinderung schwierig ist.

Es lohnt sich daher, Entscheidungen der Landesämter überprüfen zu lassen, sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen.