Die Leitsätze der Entscheidung lauten:
„1. Die Anforderung unter anderem von Mietverträgen durch das Finanzamt (FA) beim Vermieter (Steuerpflichtigen) nach § 97 der Abgabenordnung muss die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beachten.
2. Eine Einwilligung der Mieter in die Weitergabe an das FA ist nicht erforderlich, weil die Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DSGVO gerechtfertigt ist.
3. Die Übersendung der Mietverträge an das FA ist als Zweckänderung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO regelmäßig zulässig.“
Vermieter sind dazu verpflichtet, Belege, die im Zusammenhang mit ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung stehen, über einen erheblichen Zeitraum aufzubewahren, und manchmal auch dazu, im Veranlagungsverfahren für den aktuellen Veranlagungszeitraum verschiedene Unterlagen, zu denen auch Mietverträge gehören, vorzulegen. Immer wieder hört man in diesem Zusammenhang das Argument, dass dies aus Datenschutzgründen ohne Einverständnis der Mieter nicht erfolgen dürfe.
Der BFH musste sich nun mit der Frage beschäftigen, ob die Vorlage von Mietverträgen und Nebenkostenabrechnungen zwecks Überprüfung erklärter Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit der DSGVO in Einklang steht.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Einreichung der Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2018 und 2019 wurden dem FA für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung diverser vermieteter Objekte u. a. Aufstellungen der gesammelten Mieteinnahmen, der Abschreibung, der Verwaltungs- und der Instandhaltungsaufwendungen sowie sonstiger Aufwendungen für das jeweilige Objekt vorgelegt.
Das FA forderte im Rahmen der Erklärungsbearbeitung Kopien der aktuellen Mietverträge, Nebenkostenabrechnungen sowie Nachweise über geltend gemachte Erhaltungsaufwendungen an.
Die Klägerin reichte lediglich eine Aufgliederung der Brutto- und Nettomieteinnahmen mit geschwärzten Namen der Mieter sowie der Betriebskosten für verschiedene Wohnungen und Unterlagen über die Instandhaltungsaufwendungen vor.
Nicht eingereicht wurden die angeforderten Mietverträge und Nebenkostenabrechnungen. Die Klägerin meinte, „die Offenlegung dieser Unterlagen sei im Hinblick auf die Grundsätze der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ohne vorherige Einwilligung der Mieter nicht möglich. Zudem sei das FA zur Unterlagenanforderung nicht berechtigt, da die Mietverträge zur Prüfung der tatsächlichen Einkünfte untauglich seien.“
Das FA blieb am Ball und forderte die Klägerin unter Hinweis auf die Mitwirkungspflichten nach den §§ 90, 93, 97 AO nachdrücklich zur Vorlage der Mietverträge und ggf. der Schreiben über Mietänderungen zum Zwecke der Prüfung der in der Steuererklärung gemachten Angaben auf.
Den gegen die Aufforderung zur Vorlage dieser Unterlagen erhobenen Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück.
Das FG Nürnberg bejahte erstinstanzlich mit Urteil v. 1.2.2023 (3 K 596/22, EFG 2023, 604) die vom FA angenommene Pflicht zur Vorlage von Mietverträgen und Nebenkostenabrechnungen.
Der BFH hat mit Urteil vom 13.8.2024 (IX R 6/23) die Revision als unbegründet zurückgewiesen und entschied, dass das FA die Vorlage der Mietverträge habe verlangen dürfen.
„Die Vorlage von Urkunden unterliegt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, das heißt, sie muss zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und die Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sein (vgl. BFH-Urteil vom 23.10.1990 – VIII R 1/86, BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277, unter 2.d zum Auskunftsrecht nach § 93 AO; Schuster in Hübschmann/Hepp/Spitaler HHSp , § 97 AO Rz 32 ff.; Klein/Rätke, AO, 17. Aufl., § 97 Rz 12; Roser in Gosch, AO § 97 Rz 13).“
Die im Ermessen des FA stehende Anforderung von Mietverträgen zur Kontrolle der steuererheblichen Verhältnisse beurteilt der BFH als rechtens.
„Das FA hat in der Einspruchsentscheidung ausgeführt, dass es die Mietverträge zur Kontrolle der steuererheblichen Verhältnisse benötige und diese ein geeignetes Mittel darstellten. Aus den Mietverträgen ‑‑gegebenenfalls in Verbindung mit anderen Unterlagen‑‑ würden sich unter anderem die Höhe der vereinbarten Mietzinsen, Mieterhöhungen, Abweichungen zu tatsächlich geleisteten Zahlungen, die Zusammensetzung des Mietzinses, die Umlagefähigkeit von Nebenkosten, der Umfang des Nutzungsrechts und die tatsächliche Durchführung der Vermietung ergeben. Ein anderes, gleich wirksames Mittel der Aufklärung sei nicht ersichtlich. Insbesondere könnten das nicht die privaten Aufstellungen der Klägerin sein, weil sie nur durch diese ‑‑ohne Beteiligung der Mieter‑‑ erstellt worden seien. Die Namen der Mieter seien erforderlich, um die Zahlungsflüsse dem jeweiligen Mietverhältnis zuordnen zu können.
Diese Erwägungen lassen keine Ermessensfehler erkennen. Insbesondere die Fragen nach den konkret einem Mieter überlassenen Räumlichkeiten (einschließlich Stellplätzen, Garagen, Kellerräumen, Garten et cetera) sowie nach der Höhe des im Rahmen des § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes maßgeblichen vereinbarten Entgelts (vgl. Senatsurteil vom 22.02.2021 – IX R 7/20, BFHE 272, 200, BStBl II 2021, 479, Rz 11, m.w.N.) lassen sich nur anhand der Mietverträge zuverlässig klären. Die Nebenkostenabrechnungen sind für die Frage der Höhe der Einnahmen sowie für die Frage der tatsächlichen Durchführung des Mietverhältnisses relevant. Schließlich sind die Namen der Mieter erforderlich, um das Vorliegen eines Angehörigenmietverhältnisses (§ 15 AO) aufklären zu können. Bei Unklarheiten muss die Finanzbehörde in der Lage sein, die Mieter als „andere Person“ befragen zu können.“
Die Berechtigung der Vermieterin und Klägerin zur Vorlage der Mietverträge erklärt der BFH wie folgt:
„Offensichtlich handelt es sich bei den Daten der Mieter um personenbezogene Daten nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO und die Offenlegung durch die Klägerin stellt einen Verarbeitungsvorgang nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar (zur weiten Auslegung dieses Begriffs vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑ Endemol Shine Finland vom 07.03.2024 – C-740/22, EU:C:2024:216, Rz 29).
…
Jedenfalls aber wäre die Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DSGVO gerechtfertigt. Danach ist eine Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, welcher der Verantwortliche unterliegt. Diese rechtliche Verpflichtung der Klägerin ergibt sich vorliegend aus § 97 AO.
Es liegt eine zulässige Zweckänderung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO vor. Die Offenlegung der personenbezogenen Daten durch die Klägerin stellt eine Verarbeitung (Art. 4 Nr. 2 DSGVO) zu einem anderen Zweck als demjenigen dar, zu dem die personenbezogenen Daten der Mieter erhoben wurden, nämlich zum Zweck der Durchführung der Mietverträge (Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b DSGVO). Die Offenlegungspflicht gegenüber dem FA beruht auf den §§ 29b, 93, 97 AO als nationale Bestimmungen im Sinne von Art. 6 Abs. 4 DSGVO.“
Fazit:
Wenn das FA zur Prüfung der Plausibilität von erklärten Einkünften die Vorlage von Mietverträgen verlangt, dann kann diese Belegvorlage jedenfalls nicht generell mit Hinweis auf die fehlende Zustimmung der Mieter nach den Regelungen der DSGVO verweigert werden.
RAin. Stefanie Meyer